Erfahrungsbericht Berufsorientierung

Lennart, 16, besucht die Oberstufe eines Berliner Gymnasiums und berichtet von seinen Erfahrungen mit der Berufsorientierung:

Mit 16 Jahren und dem Beginn der Oberstufe am Gymnasium verbleibt nicht mehr viel Zeit bis zum Erreichen des Abiturs. Daher muss man sich gerade in der Oberstufe zunehmend Gedanken über den Weg machen, den man nach der Schule einschlagen will. Hier gibt es verschiedenste Möglichkeiten, über die sich viele aber nicht im Klaren sind. Deshalb gibt es die sogenannte Berufsorientierung bzw. Berufsberatung. Ich persönlich möchte nach dem Abitur auf jeden Fall ein Auslandsjahr machen, bevor ich anfange, zu studieren. Da ich mir aber weder sicher war, über welche Organisation ich das Jahr machen wollte, noch, welches Fach ich studieren wollte, setzte ich große Hoffnungen in die Berufsorientierung an unserer Schule. Zu den Studienfächern, über die ich mir Gedanken gemacht hatte, erhoffte ich mir Informationen und dachte, danach sei ich ein Stück schlauer, was meine persönliche Zukunft nach dem Abitur angeht. Mit diesen Wünschen ging ich also in die Berufsorientierung an unserer Schule.

Wichtig ist jedoch, zunächst zu erwähnen, dass es bis zum Beginn der Oberstufe überhaupt keine Art der Berufsberatung gab. Weder wurde mit uns Schülern über unsere Berufswünsche bzw. Möglichkeiten für Bildungswege nach Vollendung der Schullaufbahn gesprochen, noch hätten wir die Möglichkeit gehabt, uns bei eventuellen Fragen zu diesem Thema dafür zuständige Personen zu wenden. Wenn man als Schüler also nach der 10. Klasse abgegangen wäre – was zugegebenermaßen an Gymnasien ja eher die Ausnahme ist – hätte man zwar den MSA in der Tasche gehabt, wäre aber in die Berufswelt entlassen worden, ohne jemals eine schulische Beratung zur weiteren Berufslaufbahn genossen zu haben.  Zwar wurde uns von bestimmten Lehrern immer wieder vorgehalten, wir müssten uns angesichts des nahenden Abiturs Gedanken darüber machen, was wir nach der Schule anstreben, jedoch wurde mit uns nicht wirklich über die verschiedenen Möglichkeiten gesprochen, die wir nach der Schule haben.

Erst zum Ende des zweiten Semesters gab es zum ersten – und einzigen – Mal eine organisierte Berufsorientierung. Diese war von der Agentur für Arbeit organisiert.  Das ganze lief dann so ab, dass alle Zweitsemester-Schüler in drei Gruppen zu ca. 40 Schülern aufgeteilt wurden. Jede Gruppe wurde ca. 60 Minuten lang „beraten“. Ob aber wirklich von einer individuellen Beratung die Rede sein kann, ist zumindest zu bezweifeln. Denn die Berufsorientierung bestand im Großen und Ganzen nur daraus, dass uns Schülern verschiedene Wege aufgezeigt wurden, wie die Bildungs- bzw. Berufslaufbahn nach der Schule weitergehen kann: Universitätsstudium, Ausbildung, Duales Studium. Auch über mögliche Auslandsaufenthalte (Work and Travel, Au-pair etc.) wurden wir informiert, genauso wie über Freiwilligendienste wie das FSJ oder FÖJ. Allerdings wurde kaum über die individuellen Berufswünsche und konkrete Inhalte gesprochen. Unter anderem sollte jeder Schüler seinen Berufswunsch aufschreiben und zu einer der oben genannten Kategorien zuordnen. Dann ging die Frau von der Agentur für Arbeit jede Karte durch und erzählte sehr knapp etwas dazu. Das war aber auch schon die einzige Situation, in der auf individuelle Interessen eingegangen wurde. Am Ende der Berufsorientierung wurde uns ein dickes Buch mitgegeben, in dem zu nahezu jedem Beruf bzw. Studiengang Informationen zu finden waren. Außerdem hatten wir nach den 60 Minuten die Möglichkeit, uns in einen E-Mail-Verteiler für weitere Informationen zu den einzelnen Bildungsmöglichkeiten einzuschreiben.

Insgesamt fand ich sehr gut, dass wir relativ ausführlich über verschiedene Bildungswege und auch uns bis dahin unbekannte Alternativen wie z.B. Au-pair informiert wurden. Man bekam durch diese Berufsorientierung zumindest einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten und konnte sich gut orientieren. Eher negativ ist mir aber aufgefallen, dass das gesamte Gespräch wie ein Vortrag aufgebaut war, abgesehen von kurzen Zwischeneinheiten wie z.B. dem Fixieren von Berufswünschen an der Tafel. Ich hätte mir eher eine individuellere Art der Berufsorientierung gewünscht, in der eventuell auch Einzelgespräche ein guter Ansatz wären. So wie die Berufsorientierung im Zweiten Semester aufgebaut war, bin ich jetzt zwar einigermaßen gut über verschiedene Bildungsangebote informiert, die für mich wichtigste Frage – nämlich die, welches konkrete Studienfach ich nach meinem Jahr im Ausland belegen will und wie es für mich persönlich überhaupt konkret weitergeht– ist aber offen geblieben.